Im 15. und 16. Jahrhundert trotteten jährlich rund 50.000 Ochsen über die deutsch-dänische Grenze.
  1. Fahrradtouren

Der Ochsenweg von Dänemark bis Wedel

Die Ochsentour

Der historische Ochsenweg verlief 245 Kilometer von Dänemark durch Schleswig-Holstein und sogar weiter in Niedersachsen. Eine Tour auf den Spuren des alten Ochsentracks. (Text: Uta Nommensen)

Der Sandweg – grasbewachsen in der Mitte – ist gesäumt von Heidekraut und Tannen. Hier im Kropper Busch südwestlich von Schleswig drohte den Treibern mit ihren 50 bis 100 Ochsen starken Herden Ungemach. Die ausgedehnten Heideflächen des Kropper Busches galten als schwierigster Teil der Ochsentrift. Räuber und Wegelagerer bedrohten in der Heideeinsamkeit Viehtreiber und Herden. Doch auch der tiefe Sand setzte den Ochsen und den Treibern zu. So manches Rad brach den Treibern entzwei, die den Herden mit Pferd und Wagen folgten. „Du büs Kropper Busch noch nie vörbi“ (du bist noch nicht am Kropper Busch vorbei) – dieser Satz prangt seit Jahrhunderten über dem Eingangstor der Gastwirtschaft „Kropper Busch“. Die alte Wirtschaft lag bis 1845 am historischen Triftweg. Sie und viele andere Gasthäuser entlang des Ochsenweges boten den Treibern nächtliche Unterkunft und Verpflegung für die Tiere.

Harrislee und Flensburg

Wir beginnen die Reise in Harrislee an der dänischen Grenze. Geübte Radler fahren von hier bis Wedel an der Elbe etwa drei bis vier Tage. Sie sind damit sehr viel schneller als die Viehtreiber in alten Zeiten, die ihren Ochsenherden keine schnellere Geschwindigkeit als 20 km am Tag abringen konnten. Gewundene Alleen führen an blühenden Rapsfeldern und grünen Weiden vorbei Richtung Flensburg. Kurz vor Oeversee liegt unter einem 500 Jahre alten Weißdorn ein Gräberfeld aus der Jungsteinzeit, das schon damals den Viehtreibern als Orientierungspunkt diente. Im 15. und 16. Jahrhundert trotteten 50.000 Ochsen in einem Jahr über die Grenze. Als im 19. Jahrhundert die Straßen besser ausgebaut wurden und die Eisenbahn den Betrieb aufnahm, hatten die Ochsenwege ihre Funktion verloren und gerieten in Vergessenheit. Leider ist heute nur noch ein Zehntel des alten Ochsenweges erhalten. Ein Großteil der Strecke ist durch Betonstraßen überbaut. Doch immer wieder lassen sich gut erhaltene Teilstrecken der alten unbefestigten Straße entdecken wie in Lürschau und bei Schuby, wo uralte tief gefurchte sandige Pfade übers Feld und durch den Wald in Richtung Schleswig führen.

Schleswig an der Schlei

Schleswig liegt inmitten einer idyllischen Hügellandschaft am Ende der Schlei. Mit dem stattlichen Schloss Gottorf, das ein Museum beherbergt, dem Wikinger-Museum in Haithabu und dem Städtischen Museum gilt die Stadt als ein Zentrum norddeutscher Kultur. Weithin sichtbares Wahrzeichen der Stadt ist der Dom mit seinen zahlreichen Kunstschätzen. Vor 1200 Jahren siedelten sich die Wikinger westlich von Schleswig an und errichteten das größte Handelszentrum des Nordens: Haithabu, von dem jedoch nur wenige Spuren erhalten sind.

Auf dem Holm im alten Kern von Schleswig wähnt sich der Gast in einer anderen Zeit. Kleine Giebelhäuser mit „Klöndören“ – geteilten Türen, die man für einen Klönschnack oben öffnet –säumen die mit Kopfstein gepflasterten Straßen. Stockrosen und kleine Blumenrabatten schmücken die niedrigen Häuschen. Am nahen Schleiufer warten Sportboote jeder Größe auf einen Ausflug auf dem Wasser.

Von Rendsburg nach Neumünster

Südlich von Schleswig führt der Ochsenweg am Danewerk vorbei, wie der um 650 errichtete, 30 Kilometer lange Danewall genannt wird. Er markierte bis ins 13. Jahrhundert die Grenze zu Dänemark. Grünbewachsene Wälle zeugen noch heute von der monumentalen Verteidigungsbastion. Nach dem abenteuerlichen Weg durch den Kropper Busch gelangten die Ochsentreiber schließlich nach Rendsburg. Wer nicht bereits in Schleswig acht Schilling Wegezoll gezahlt hatte, den baten die Rendsburger im alten Zollhaus zur Kasse. „Schmuggler“ trieben damals ihre Herde an Rendsburg vorbei über die Eiderfurt, um dem Zoll zu entgehen. Radfahrer, die heutzutage an der Eider entlangfahren, genießen die Tour an den schilfbewachsenen Ufern des Flusses.

Südlich der Eider teilt sich der Ochsenweg. Östlich führt die Achse über Neumünster am Aukrug vorbei. (Foto: schleswig-holstein-urlaub.de)
Der Aukrug

Südlich der Eider teilt sich der Ochsenweg. Östlich führt die Achse über Neumünster am Aukrug vorbei. Ein Abstecher dorthin lohnt sich. Dort können Hobby-Archäologen auch ein Stück Ur-Ochsenweg bestaunen. Im Heidegebiet vor Gnutz im Aukrug ist über mehrere hundert Meter eine breit ausgetretene Spur zu sehen.

Der Aukrug ist eine zauberhafte Naturidylle inmitten von Schleswig-Holstein! Zahlreiche Bäche und Auen winden sich durch natürlich gewachsene Wälder und weitläufige Weidegebiete. Moore und Heidelandschaften und dazu der 77 Meter hohe Boxberg gehören ebenso zu diesem harmonischen Landschaftspanorama, das zu weiteren Radwanderungen einlädt.

Bad Bramstedt

Südlich von Neumünster, entlang der Bundesstraße 4, ist die Trasse des Ochsenweges gut zu erkennen. Wie viele Ochsen zwischen dem 14. und 19. Jahrhundert durch diese Allee getrieben wurden, wer vermag es zu sagen? Nahe der Autobahn Großenaspe befindet sich ein weiteres Relikt des alten Ochsenweges: die Überreste einer Steinbrücke von 1728.

In Bad Bramstedt kündet die hölzerne Roland-Statue auf dem städtischen Ochsenmarkt vom historischen Handel. Bereits im 15. Jahrhundert wurde die erste Roland-Statue auf dem Markt errichtet. Der Roland symbolisierte Marktgerechtigkeit, unter ihm schlossen die Kaufleute ihre Verträge per Handschlag.

Im 20. Jahrhundert entwickelte sich Bad Bramstedt zu einem anerkannten Sole- und Moorheilbad. Die Auenlandschaft mit Wald, Heide und Moor ist ideal für Radtouren, Wanderungen und Kanu- oder Kajakfahrten.

„Ossenmarkt“ in Itzehoe

Nahe Uetersen vereinen sich der westliche und der östliche Zweig des Ochsenwegs aufs Neue, und zielstrebig führt die Route der alten Triftstraße nach Wedel. Die westliche Route des Ochsenweges verläuft über Hohenweststedt nach Itzehoe.

In Itzehoe kreuzte der westliche Ochsenweg einen weiteren Handelsweg, der Nord- und Ostsee miteinander verband. Hier stößt die schiffbare Stör auf die Landwege. Doch ob die Ochsentreiber diese Möglichkeit nutzten und die Ochsen auf dem Wasserweg weitertransportierten? Wohl kaum. Bereits seit 1238 hat Itzehoe das Stadtrecht. 1462 wurde zum ersten Mal über den großen „Ossenmarkt“ in Itzehoe berichtet. Angeboten wurde vor allem Vieh aus Jütland, das auf den Weiden rund um Itzehoe fett gemästet wurde, um dann nach Hamburg verkauft zu werden. Spaziert man heute durch Itzehoe, künden barocke Gebäude und vor allem der romantische Prinzesshof mit der St.-Laurentii-Kirche und dem Kreuzgang von der Zeit, als Viehtreiber ihre 50 oder 100 Ochsen starken Herden durch den Ort trieben.

Die Elbmarsch

Von Horst, einem alten Ochsenrastplatz, führt die historische Trift durch den „Ossenpad“ in Uetersen bis nach Wedel. Bei Elmshorn mussten Menschen und Vieh mit Fährkähnen die Krückau überqueren. Die Elbe war nicht mehr weit, wenn die Ochsen die Elbmarschen erreicht hatten, die sich vorzüglich als „Fettweiden“ zum Mästen eigneten. Nach diesen strapaziösen Märschen über Hunderte von Kilometern hatten die Ochsen bis zu 100 Kilogramm an Gewicht verloren und sahen ausgemergelt aus. Welcher Viehhändler will schon einen mageren, müden Ochsen erwerben? Also gewährten die Viehtreiber den Tieren eine Ruhezeit, in der sie auf den safig grünen Wiesen der Elbmarsch Gras fressen konnten – so lange, bis ihr Fleisch einen saftigen Rinderbraten versprach.

Auf den großen Viehmärkten in Wedel, Pinneberg, Altona und Hamburg wechselten schließlich Tausende Ochsen die Besitzer. Vielleicht ging die Reise auch noch weiter über die Elbe bis nach Niedersachsen oder in die Niederlande. Doch egal wo die Ochsentour auch endete, in Pinneberg, Amsterdam oder Kassel, eines ist sicher: der Kochtopf war die letzte Station.

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